Der befreiende Umgang mit Fehlern - oder Fehler sind nicht gleich Sünde

Man kann auf zweierlei Arten stürzen: Entweder man fällt nach vorne auf die Nase oder nach hinten auf den Po. Was für viele angenehmer ist, die Nase ist nun mal nicht so elastisch. Im Prinzip keine schlechte Sache, aber damit hat man das Hindernis, das einen zum Straucheln gebracht, immer noch vor sich und hat es noch nicht überwunden. Und so kommt es mit vor, gehen viele Menschen mit ihren persönlichen Schwächen um. Sie stehen nicht einfach auf, wenn was schief gegangen ist und machen mutig weiter, sondern fallen in bekannte Verhaltensmuster und über die Schadensbegrenzung hinaus vergessen sie, Fehler sind dazu da, dass wir gestärkter hervorgehen. 
Wer mit seinen Fehlern umgehen kann, kann eine Persönlichkeit werden, kreative Lösungen finden für alle Probleme und das wichtigste, seelisch gesund bleiben. Nun weiß ich nicht wie viele Perfektionisten das heute lesen? 
Aber auch die werden erlebt haben, dass bei aller Mühe und Anstrengung, aller Gewissenhaftigkeit dennoch jedem Fehler unterlaufen können. Oft machen Menschen mit einem Hang zum Perfektionismus sich selbst und anderen das Leben schwer. Und das vor allem im zwischenmenschlichen Bereich. Fehler sind menschlich, aber ich habe seit einigen Jahren den Eindruck, dass Fehler in Deutschland inzwischen unentschuldbar geworden sind. Sünde dagegen ist leicht entschuldbar. Vieles ist nur noch ein Kavalierdelikt. Warum diese Unterscheidung? Weil sie dabei hilft, befreiend mit den eigenen Fehlern und die der anderen umzugehen. 
Vorne weg: Fehler sind noch keine Sünde! Aber was ist eigentlich eine Sünde? Einfach gesagt: Sünde ist, wenn ich gegen die Liebe handle – Gott, den Mitmenschen oder sich selbst gegenüber. Aber etwas Entscheidendes muss bei der Sünde noch dazukommen: Es bewusst zu tun. Bewusst gegen die Liebe zu handeln. Das würden wir moralisch mit Recht als Sünde benennen. Ein Fehler, hat damit noch lange nichts zu tun. Beim nächsten Patzer können Sie ruhig überlegen. „Habe ich gegen die Liebe gehandelt, und habe ich das bewusst gemacht?“ Wenn nicht, war es ein Fehler und aus Fehlern sollen wir lernen. 
Es erleichtert ungemein unser Wohlbefinden Fehler zuzugeben und  es versuchen wieder in Ordnung zu bringen. Bei der Sünde weiß man gewöhnlich vorher, dass etwas falsch ist, beim Fehler erst oft hinterher.
Leider wurden die meisten von uns nicht erzogen, Fehler für unumgänglich und positiv zu betrachten, so dass sie oft nur negativen Gefühle auslösen. Nur die wenigsten werden früher von ihren Eltern gehört haben: „Mein Schatz, jetzt hast Du was falsch gemacht. Super. Jetzt kannst was lernen!“. Die meisten werden Sanktionen erlebt haben, wie Liebesentzug, Auslachen oder Verspottung. Denken wir an unsere Schulzeit oder unsere Gesellschaft. Wer einmal auf die heiße Herdplatte gegriffen hat, vergisst das sein ganzes Leben bestimmt nicht mehr. 
Ich halte es persönlich für falsch keine Fehler zu machen, denn Fehler zu machen ist die einzigartige Weise, zu lernen, zu wachsen, zu leben. 
Wir alle haben gelernt durch Ausprobieren und  TUN. Wer nichts tut, macht ja auch keine Fehler. Es ist für keinen Menschen angenehm, Fehler zu machen oder eigene Grenzen zu akzeptieren. Das eigentliche Problem ist aber nicht, dass wir Fehler machen, sondern was die Fehler anschließend mit uns machen. 

Was uns allerdings wirklich sehr schwer fällt, ist zu den  gemachte Fehlern zu stehen, viel lieber projizieren wir sie auf andere. Kennen sie das ? „Hätte die nicht so blöd geguckt, hätte ich auch nicht so blöd geguckt“- oder „Du nervst“. Das ist die einfachere Weise durchs Leben zu gehen. Man sucht sich einen Sündenbock, dann ist man ja nicht mehr selbst verantwortlich für sein Verhalten, eine wirklich beliebte Mentalität und Falle. 
Dabei braucht es nur ein wenig Anerkennung und Liebe, dass „Selbstbewusstsein“ in uns wachsen kann und wir bereit sind, uns unser selbst- bewusst- zu- werden. 
Eigene Stärken, aber auch Schwächen zu erkennen und sie akzeptieren zu lernen. Mit wie vielen Talenten und guten Seiten sind wir ausgestattet, aber wie erbärmlich, sündig und zu allem fähig wir Menschen sein können. Eigene Fehler und Schwächen zu akzeptieren, ist für mich der Beginn von „Erwachsen sein“, ganz gleich wie jung  oder alt wir sind. Ob Sie erwachsen sind, müssen Sie natürlich selbst entscheiden. 
Wie viel interessanter ist es da sich lieber mit den Fehlern der anderen zu beschäftigen? Dafür scheinen wir ein ausgeprägtes Gespür zu besitzen. Nichts bleibt verborgen und jedes Versagen wird wenn möglich bekannt gemacht, vor allem in der Öffentlichkeit. Im Zeitalter der sozialen Medien kein Problem, sie in die ganze Welthinaus zu posaunen. Fluch und Segen zugleich. Wir können uns leicht über alle und jeden Fehler der anderen brüskieren, entsetzen oder schadenfreudig sein. Wenn der Fehler nichts mit uns persönlich zu tun hat, haken wir ihn meistens schnell ab. Aber spätestens, wenn es uns selbst betrifft, wir verletzt, werden oder wenn man gegen uns was sagt, schreibt oder tut, dann ist der Spaß vorbei. Kränkung tut brutal weh, vor allem wenn sie aus Unwissenheit, ungerecht und oder lieblos geäußert wird. Manche kommen Jahre über einen Satz nicht hinweg, weil sie ihm dem Menschen zu viel Macht gegeben haben. Tatsache ist bei Vielen: Nur Verletze Menschen verletzen und merken oft nicht, dass sie verletzend herumlaufen und andere verletzen.
Es gibt allerdings einen sehr befreienden Umgang mit eigenen und Fehlern anderer umzugehen, und der heißt: Vergeben. Niemand muss das, das ist nicht populär und auch nicht einfach. Das sage ich nicht, weil es mir als Ordensschwester leichter fallen würde oder ich nicht viel erlebt habe, was es zu verzeihen gebe. Im Gegenteil. Wenn man wie ich über die Medien bekannt geworden ist, und auffällt, hat man nicht nur Freunde, sondern anfangs schnell Kritiker. Ich durfte lernen, wir sind Menschen und Menschen hungern nach Anerkennung und Zuwendung und ich begriff schnell; dass die deutsche Antwort auf Anerkennung Neid ist. Warum wir vergeben sollten? Damit auch uns eines Tages von unserem Schöpfer vergeben wird und das vor allem, dass wir seelisch gesund zu bleiben.   Um Vergebung zu bitten und zu bekennen kann uns heil machen. Denn alle Kränkungen hinterlassen Spuren und Schmerzen und machen irgendwann etwas mit uns. Wenn die Seele zu sehr leidet, wird der Körper krank. 
Ich glaube das der Heiland in unseren unheilvollen WELT heilen kann, uns und andere. Niemand muss damit alleine fertig werden.  Aber ich rate auch, wenn der seelische Schmerz zu groß ist, und man Gott den Rücken gekehrt hat, sich professionelle Hilfe zu holen. Manchmal begegnet man auch so einem Engel ohne Flügel, der Verständnis aufbringt, uns glaubt und uns im Schmerz beisteht und uns aufrichtet. 
      Fehlerfreundliches Arbeiten untereinander 
Dass ich in Deutschland zu vielen Menschen und Firmen kommen darf, mit meinen Vorträgen, betrachte ich als Privileg. Trotz vieler positiver Erfahrungen mit innovativen großartigen Menschen, habe ich manchmal den Eindruck, dass mit unserem Land etwas nicht stimmt. Wir sind eher fehlersuchend als fehlerfreundlich.  Man kommt kaum aus einem Meeting, einer Veranstaltung oder sogar einem Gottesdienst, ohne dass zuerst kritisiert wird, was nicht entsprochen hat. Ich weiß nicht woher die Lust kommt, alles und jeden zu kritisieren.
Vor Jahren wurde ich inspiriert von dem Satz: „Bevor du jemand kritisierst, sollst du ihn 9x vorher loben!“ Um nicht zu übersehen, was er auch Positives macht! 
Mir persönlich hat das in den letzten Jahren sehr geholfen, selbst andere mehr zu loben, und nachsichtiger zu sein. Wie viel kreativer und freundlicher könnte unser Land sein, wenn wir auf die Suche nach Sündenböcken verzichten, statt gemeinsam aus gemachten Fehlern zu lernen. Das wünsche ich unserem Land, dem neuen Verteidigungsminister und allen die für andere verantwortlich sind. In den Familien, am Arbeitsplatz, meiner Kirche und in der Öffentlichkeit.
Schwester Teresa Zukic
 

Schwester Teresa
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Schwester Teresa Zukic

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