Ökumene als selbstverständliches Miteinander

Liebe Leserin, lieber Leser,

wieder einmal steht Kirche in der Kritik. Wieder einmal ist aufgezeigt worden, wie Verantwortliche verantwortungslos gehandelt haben - und dennoch weiterhin Rechtfertigungsversuche gemacht werden. Doch das Leid, die Verletzungen und die Bösartigkeiten sind offen gelegt und lassen sich nicht einfach wegwischen. Die Institutionen der katholischen Kirche stehen im Fokus der Anklage. Hilft es in dieser Lage, von evangelischer Seite - wie in diesen Tage laut nachgedacht wurde - die Ökumene auf „Eis“ zu legen, bis die Gegenseite ihre Dinge geordnet habe?

Wenn es denn wirklich so käme, dann erhöben die einen sich über die anderen und würden sich in einer Situation distanzieren, die doch beide trifft. Kritik am religiösen Establishment bis hin zum Kirchenaustritt trifft die Volkskirchen immer gleichermaßen. Es gibt viele sachliche Gründe, gerade jetzt in der Ökumene nicht nachzulassen. So brauchen jene, die weiter für Aufklärung und Wiedergutmachung kämpfen, auch evangelisches Gebet und Unterstützung; so dürfen sich die Aktiven des „Synodalen Weges“ nicht allein gelassen fühlen; so darf man nicht unterschlagen, dass in allen Kirchen die Schuld sexualisierter Gewalt auf sich geladen wurde.

Darüber hinaus darf man bei allem Aktionismus nicht vergessen, dass das ökumenische Anliegen kirchlicher Einheit ein inneres geistliches Ziel ist, das zwar immer wieder Schläge aushalten musste und muss, im Grunde jedoch die Basis christlicher Gemeinde ausmacht.  Im 1. Brief an die Korinther im 12. Kapitel vergleicht der Apostel Paulus die Vielfalt der Gemeinden mit den Gliedern an einem Leib, der Jesus Christus selbst ist. Und er fragt rhetorisch: „Wenn nun der Fuß spräche: Ich bin keine Hand, darum gehöre ich nicht zum Leib!, gehört er deshalb etwa nicht zum Leib?“ Es ist nicht eigener Wille, Teil der Gemeinschaft mit Christus zu sein, sondern es liegt in der Natur des Glaubens. Daraus folgt auch: „Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit.“ Ist es nicht so, dass wir mit denjenigen, denen Gewalt angetan wurde, mitleiden, - und für die beten und sie zu unterstützen suchen, die uns brauchen? Ökumene ist die tiefe Grundlage - sie vergißt nicht die Kränkungen und Schmerzen, sie tut nicht so, als würde es keine Trennung und keine Gewalt geben. Vielmehr schafft sie die Basis, die Wege gemeinsam zu gehen, im Gebet - und hoffentlich bald auch im gemeinsamen Mahl - Christus Einlass ins Leben zu gewähren.

Ich wünsche uns, dass wir gerade auch in schweren Zeiten das Gemeinsame der Christen auch hier vor Ort nicht aus den Augen verlieren. Die ökumenischen Gruppen und Gottesdienste, das selbstverständliche Miteinander und der persönliche Austausch, der in vielen Konstellationen auch in und um Erlangen herum gepflegt wird. 

Bleiben Sie behütet und gesund!

Dr. Peter Baumann

Pfr. Dr. Peter Baumann
Altstädter Kirchengemeinde
Ökumenebeauftragter des evang. Dekanats Erlangen