Martin Luther hatte noch keine Ahnung von Halloween!

„Hat Martin Luther auch Halloween gefeiert?“ fragen mich Kinder einer
Grundschulklasse. Ich habe gerade vom 31.Oktober 1517 erzählt. Wie der
Mönch Martin Luther seine „95 Thesen“ an das Schwarze Brett der
Universität, die Türen der Wittenberger Schlosskirche, genagelt hatte. Darin
hatte er alles aufgeschrieben, was aus seiner Sicht gegen die Missstände in
der Kirche damals und gegen die gängige Praxis des Ablasshandels
theologisch zu sagen war.

Die Kinder erkennen das Datum sofort. Allerdings nicht als den
Reformationstag, den die evangelische Kirche bis heute am 31.Oktober
feiert. Einen Tag, der an den Anfang der großen Veränderungsbewegung
„Reformation“ erinnert, die damals Kirche und Gesellschaft in halb Europa
erfasste. Und im Zuge derer die evangelische Kirche entstand. Sie
überbieten sich stattdessen darin, mir ihre gruseligen Halloween –Kostüme
zu schildern: ein Skelett, das im Dunkeln leuchtet. Ein Haarreif, der
aussieht als ob einem ein Messer im Kopf steckt. Ob ich weiß, als was sich
Martin Luther verkleidet hat?

„Martin Luther hatte noch keine Ahnung von Halloween!“ sage ich zuerst.
Aber dann denke ich: er hatte ziemlich viel Ahnung von teuflischen
Gestalten und bösen Geistern, die einen heimsuchen. Er hat in einer Zeit
gelebt, in der die Menschen unglaublich viel Angst hatten. Und er kannte die
Sehnsucht, sich das – und sei es nur für eine Nacht – mal ordentlich vom
Leib zu halten, vielleicht auch den spielerischen Kampf mit den bösen
Geistern aufzunehmen. Er hat allerdings weder Kürbisse geschnitzt noch
„Süßes oder Saures!“ von den Nachbarn gefordert. Er hat stattdessen Lieder
gesungen und Musik gemacht. Am besten laut und am liebsten mit anderen
zusammen. Martin Luther hat Protestlieder geschrieben gegen alles, was
Angst machen kann, hat sich lustig gemacht über den Teufel und seine
Gesellen. Er hat sich Mut angesungen. Einen Mut, der aus dem Vertrauen auf

Gott kommt. Aus der Furchtlosigkeit, die der Glauben bis heute Menschen
geben kann. Zum Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ kann man sogar tanzen.
So stelle ich mir vor, wie Martin Luther ein Tänzchen gewagt hat, allen
düsteren Gedanken und Ängsten die Zunge rausgestreckt hat. Wer – und sei
es nur für einen Moment – lachen kann über das, was ihm Angst macht, der
bekommt Abstand. Kann danach vielleicht klarer sehen, was gegen die
Angst zu tun ist. Auf welche Kraft ich hoffen kann, wenn meine viel zu klein
ist. Wie es sich auch in herausfordernden Zeiten furchtlos nach vorne
schauen lässt. Ich glaube, das hätte Martin Luther an Halloween richtig viel
Spaß gemacht. Und wenn Sie auch laut mit anderen singen wollen? Das
geht, nicht nur rund um den Reformationstag, in einer Kirche in Ihrer Nähe.
Christiane Stahlmann, Pfarrerin der Lukasgemeinde Bubenreuth

Christiane Stahlmann

Pfarrerin Christiane Stahlmann

Evang. Lukasgemeinde Bubenreuth