„Es gibt drei Dinge, von denen ich mir immer zu viel mache: Gedanken, Hoffnung und Nudeln“

Kann man sich zu viel Hoffnung machen?

Der Satz lacht mich an – auf einem Plakatständer vor einem italienischen Restaurant. Das mit den Nudeln leuchtet mir sofort ein: fast immer bleibt eine Handvoll übrig. Ich mach mir auch manchmal zu viele Gedanken… Meistens stellt sich später heraus, dass das gar nicht nötig gewesen wäre. Hängen bleibe ich an der Frage: Kann man sich zu viel Hoffnung machen? Das klingt für mich so resigniert: „Ach, ich mach mir immer zu viel Hoffnung, ich werde eh bloß enttäuscht, ich lass das lieber.“ Oder: „Habe ich’s doch gleich gewusst, dass es sich gar nicht lohnt noch mit etwas anderem zu rechnen!“ Als ob man dann am besten durchs Leben käme, wenn man nichts erwartet. Manche Menschen erzählen mir, dass sie damit ganz gut leben können. Aber ich könnte das nicht.

Ich glaube: Man kann sich gar nicht genug Hoffnung machen. Und damit bin ich in guter Gesellschaft. Die Geschichten der Bibel sind voll von Hoffnungsmenschen. Von Menschen, die hinter dem, was gerade ist, immer noch mehr sehen. Die allem zum Trotz erwarten, dass etwas anders werden kann. Vielleicht sogar gut. Und das, obwohl sie die Welt um sich rum erstmal sehr nüchtern betrachten. Viele der Propheten in der hebräischen Bibel waren solche Hoffnungsmenschen. Die haben genau hingeschaut. Haben manchmal provozierend schmerzlich gesehen und gesagt, was schief läuft. Sie haben Ungerechtigkeit benannt, Machtmissbrauch aufgedeckt, gemahnt und angeklagt. Und zugleich haben sie in sehr konkreten Bildern davon gesprochen, wie es anders sein könnte. Sie haben wieder und wieder ausgemalt, wie es sein wird: Wenn die Menschen in Frieden miteinander leben. Wie die Erde ein blühender, fruchtbarer Garten sein kann, in dem genug da ist für alle. Wie Gerechtigkeit lebendig wird im selbstverständlichen Teilen und aufeinander Achten. Zu schön, um wahr zu sein? Vielleicht. Aber nicht zu schön um wahr zu werden.

Denn solche Hoffnung rechnet nicht nur mit sich selbst. Sie rechnet auch noch mit einem anderen. Mit Gott. Das macht die Hoffnung in der Bibel für mich so tragfähig. Sie fordert mich heraus, Augen und Ohren aufzusperren: Wo ist schon etwas zu entdecken von dieser Welt, nach der sich so viele sehnen? Wo leuchtet hier und heute schon etwas auf von so einem Frieden oder der Gerechtigkeit? Da gibt es mehr zu entdecken als man zunächst glaubt. Und jedesmal wenn ich jemanden herzhaft lachen höre, der lange traurig war… Wenn plötzlich einer auf die Stimme der Vernunft oder der Barmherzigkeit hört, dem ich‘s nicht mehr zugetraut hätte… Wenn überraschend Bewegung kommt in einen festgefahrenen Konflikt, dann denke ich: Ich mache mir vielleicht zu viel Nudeln und manchmal zu viele Gedanken. Aber Hoffnung kann man sich gar nicht genug machen.

Christiane Stahlmann

Autorin/Autor:
Pfarrerin Christiane Stahlmann
Evang. Luth. Kirchengemeinde Bubenreuth
17.07.2021 (Woche 28/21)