Ich bin dann mal weg!

Selig sind die Menschen, die Kraft finden in dir, die Pilgerwege in ihrem Herzen haben (Psalm 84)

Ich bin dann mal weg! So heißt das Pilgertagebuch, in dem Hape Kerkeling seine Reise auf dem Jakobsweg und zu sich selbst beschreibt. Ich bin dann mal weg. Endlich dürfen wir uns wieder auf den Weg machen. Die nähere Umgebung haben wir uns während den Corona-Lockdowns laufend neu erschlossen. Es war die Wiederentdeckung des Spaziergangs. Für manche waren das auch Wege zu sich selbst.
Sören Kierkegaard, der dänische Philosoph beschreibt seine Lust am Gehen: Vor allem verliere nie die Lust am Gehen! Ich gehe jeden Tag zu meinem Wohlbefinden und entferne mich so von jeder Krankheit. Ich habe mir meine besten Gedanken ergangen, und ich kenne keinen noch so schweren Kummer, den man nicht weggehen kann. 
Im Gehen kann manches von einem abfließen. Leben als Unterwegssein bedeutet, dass wir nirgends stehen bleiben, um uns kreisen oder grübeln, sondern immer weitergehen. Nicht sich einrichten, sich zufriedengeben, sondern weitergehen, so hilft das Wandern zu einer Wandlung. „Weg" meint in der Bibel nicht nur den konkreten Weg, der von Ort zu Ort führt, sondern „Weg" meint zugleich den Lebensweg und Lebenswandel eines Menschen und den Weg, den Gott mit den Menschen geht. Du führst mich hinaus ins Weite, weiß der Psalmbeter. 
Das Wort „Sinn“ bedeutet ursprünglich gehen, reisen, eine Fährte suchen, eine Richtung nehmen. Wer sich auf den Weg macht, fragt nach dem Sinn seines Lebens. Dieses Suchen und Fragen macht für mich den Unterschied zwischen Pilgern und Wandern oder Spazierengehen aus. Mancher Weg wird so zum Pilgerweg. Egal ob es weite Wege sind, wie die auf dem weit verzweigten Netz der Jakobswege, auf dem seit über 1000 Jahren Männer und Frauen ihre Wege ziehen, oder ob es die Wege sind, die von der Haustür weg tagtäglich gegangen werden, mit oder ohne Hund. Es kommt nicht darauf an, ob ich nach Santiago unterwegs bin, es kommt darauf an, mit welcher Sehnsucht ich gehe. 
In den Psalmen der Bibel heißt es: Selig sind die Menschen, die Kraft finden in dir, die Pilgerwege in ihrem Herzen haben (Psalm 84). Glücklich werden Menschen, die Pilgerwege im Herzen tragen, die sich immer wieder auf den Weg machen, die sich nicht abfinden, nicht stehen bleiben, immer wieder aufbrechen. Auch wenn der Radius meiner Wege immer kleiner wird, vielleicht mit Rollator oder Stock gestützt, auch wenn sie sich nur noch auf meine Wohnung beschränken. Die Pilgerwege im Herzen bleiben mir. Und es heißt weiter: Ziehen sie durch das Tal der Dürre, wird es zum Quellgrund, ja, mit Segen bedeckt es der Frühregen. Sie wandern mit wachsender Kraft, bis sie Gott schauen.
Hape Kerkeling notiert fast am Ende seines Weges: Dieses bewusste Gehen auf dem Weg, sich einlassen, nicht lockerlassen, ist eine tiefe Glaubensschule, manchmal geschieht es, dass da jemand in mir einen riesigen Gong anschlägt, und im Nachklang die Gewissheit da ist, Ja er geht mit, Gott ist nahe.
Gottes Segen wünsche ich Ihnen auf Ihren äußeren und inneren Wegen.

Christian Sudermann

Autorin/Autor:
Pfarrer Christian Sudermann
Evang. Luth. Kirchengemeinde Markuskirche
12.06.2021 (Woche 23/21)