Leben tanzen. Im Kreis mit Gott.

Gott ist Tänzer und Tanz zugleich.

Man muss das Leben tanzen, soll Friedrich Nietzsche einmal gesagt haben. So viel Lebenslust hätte ich Nietzsche gar nicht zugetraut, aber ich finde er hat Recht. Sobald die elementaren Bedürfnisse fürs Überleben gesichert sind, mindestens ein Dach über dem Kopf, Kleidung, Nahrung, medizinische Versorgung, stellt sich doch die Frage, was das Leben lebenswert macht. Als passionierte Tänzerin bin ich mir mit Nietzsche einig. Für mich ist Tanzen ein guter Ausdruck von Lebensfreude und -fülle. Tanzen kann man zwar auch alleine, aber wenn man gemeinsam mit anderen tanzt, kommt man doch nochmal anders in Schwingung. Wie gut, dass die Inzidenzzahlen sinken und tanzen wieder erlaubt ist, zwar unter Auflagen, aber immerhin. Das Leben „tanzen“ kann man auch auf anderen Wegen. Wie „tanzen“ Sie eigentlich Ihr Leben?
Das Leben zu tanzen, präziser, mit- zu tanzen empfiehlt auch der durch das Enneagramm bekannt gewordene Franziskanerpater Richard Rohr. In seinem Buch „Der göttliche Tanz“ gibt er eine Anleitung zu einer reformierten christlichen Spiritualität. Die Erneuerung des Christentums erhofft er sich ausgerechnet im Rückgriff auf das vielleicht schwierigste und abstrakteste Theorem des christlichen Glaubens, der Trinität. Für Rohr bedeutet Trinität letztlich, ein Ineinanderfließen, eine radikale Verbindung, eine Vollkommene Gemeinschaft dreier Wesen in Gott. Im Rückgriff auf die Wüstenväter des 4. Jahrhunderts spricht er daher vom Kreistanz der Liebe. Gott ist Tänzer und Tanz zugleich. Gott ist Beziehung, ein Gemeinschaftsgeschehen. Daher will er nicht nur im Dreierreigen mit sich allein bleiben, sondern uns in seinen Tanz mit hineinziehen. Für mich übersetzt heißt das: Im Staunen über die Schönheit der Natur und der Welt, wie wir sie z.B. in der fränkischen Schweiz erleben, sind wir mit Gott in einer tänzerischen Umarmung unterwegs. Er ist es auch, der uns stützt und stabilisiert, wenn wir aus unserer Achse zu kippen drohen im Angesicht von Leid und Schuld. Und wenn wir die Erfahrung machen, dass wir uns noch einmal aufraffen, obwohl die Beine schon müde vom Zweifel und Unglauben sind, dann können wir gewiss sein, dass Gottes heilige Geistkraft uns zum Tänzchen aufgefordert und ermunter hat. Es ist die gleiche Kraft, die uns bestärkt, die Zuschauer vom Rand auf das Tanzparkett zu holen. Denn die Freude am Lebenstanz wird umso größer, je mehr wir uns untereinander verbunden wissen, das Augenmerk auf das Gemeinsame legen und nicht auf das Trennende. Gott hat für uns schon das Lebenstanzparkett bereitet. Mögen unsere Schritte nach der langen Zeit der sozialen Distanzierung vielleicht noch etwas eingerostet sein, wir sollen es trotzdem wagen, das Leben wieder zu tanzen. Mit Gottes Hilfe werden wir in der langen Trinitatiszeit, die morgen beginnt, schon wieder leichtfüßig werden. Darauf lohnt es sich zu hoffen und zu vertrauen.

Julia Nigmann

Autorin/Autor:
Julia Nigmann, Hochschulpfarrerin
Evangelische Studierenden- und Hochschulgemeinde Erlangen
29.05.2021 (Woche 21/21)