... nach den Sternen greifen

Kaum ein Symbol dominiert so sehr die Advents- und Weihnachtszeit wie der Stern. Strahlend, glitzernd und leuchtend ist er der Star der Deko in dieser Zeit. In der Weihnachtsgeschichte spielt er eine entscheidende Rolle, weil er den Weg zur Krippe zeigt, wo Jesus geboren wird. Sterne faszinieren schon immer Menschen – auch wenn die wenigsten von uns Experten in Himmelskunde sind. Ich kenne keine Person, die sich nicht gerne mal gedankenlos im Sternenhimmel verliert und nachts für einige Momente gebannt und hoffnungsvoll in den Himmel starrt. Sogar in unsere Redewendungen haben es die Sterne geschafft: So mancher möchte in seinem Leben „nach den Sternen greifen“. Ich habe extra nochmal die Definition nachgelesen. Es bedeutet, extrem hohe Ziele erreichen zu wollen oder das Beste aus seinem Leben herauszuholen. Ich unterstelle mal, dass alle  in der einen oder anderen Weise erfolgreich sein wollen, auch wenn das jeder für sich ein bisschen anders definiert. Unterm Strich streben wir alle danach, etwas zu erreichen: die einen beruflich oder gesellschaftlich, andere in Beziehungen und wieder andere in Erlebnissen und Erfahrungen. Irgendwie wollen alle hoch hinaus und so schmerzt es viele, dass wir (bzw. die deutsche Nationalmannschaft) schon wieder so früh aus der Fußball-WM geflogen sind - trotz der grundsätzlich gemischten Gefühle gegenüber dieser). Und wenn wir schon beim Fußball sind: Es tut der einen oder anderen fränkischen Seele schon ein bisschen weh, dass ihre besten Fußballvereine gerade zweitklassig unterwegs eher nicht nach den Sternen greifen, sondern viel mehr darum kämpfen müssen, aus der unteren Hälfte der Tabelle nach oben zu klettern. Absteigen will keiner. Deswegen machen uns auch die großen Krisen dieser Welt so Angst, weil sie gefährden, was wir uns erarbeitet haben und an Wohlstand genießen. Und das könnte dazu führen, dass es nicht zu den Sternen, sondern bergab geht.
Absteigen will keiner. Doch! – Da gibt es einen, der bewusst abgestiegen ist. Jemand, der die Sterne zum Greifen nah um sich hatte, steigt ab und wird Mensch. Arm und klein, verletzlich und sterblich. Er steigt soweit ab, dass er nach seiner Geburt sogar in eine einfache Futterkrippe gelegt wird, weil  sonst nichts Besseres zur Verfügung stand. Aber genau dadurch wird er für jeden greifbar. Jeder darf kommen ohne Vorbedingung. An Weihnachten feiern wir, dass Gott selbst abgestiegen ist, damit wir aufsteigen können. Statt nach den Sternen greifen zu müssen, dürfen wir Gott erreichen und mit ihm in Kontakt kommen. In Jesus kommt uns Gott entgegen und damit greifen wir nicht nur nach den Sternen, sondern der Himmel wird zum Greifen nah. Ich persönlich finde, es lohnt sich, diesem Gedanken in der Advent- und Weihnachtszeit nachzugehen. Dazu dienen die vielen Gottesdienste, offene Kirchen und vielleicht ein Stern, der dich zu dem Gott einlädt, der gerne abgestiegen ist, um mit dir Weihnachten zu feiern.
Andreas Theiß ist Pastor und Leiter des Ev. Familienzentrum in der Bismarckstr. in Erlangen.
 

Andreas Theiss
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Andreas Theiß ist Pastor und Leiter des Ev. Familienzentrum in der Bismarckstr. in Erlangen.