Können wir Christ:innen etwas zu dem Ukrainekonflikt sagen? Gegen alle Rufe, dass Glaube nicht politisch sein soll?

Zunächst einige grundsätzlichen Gedanken:

  1. Unser Leben ist anvertraute Gabe. Von Anfang an ist unser Leben von Gottes schöpferischen Liebe gezeichnet, ob wir Einzelne viel oder viel zu wenig Liebe durch andere erfahren haben. Im Glauben an Christus vertrauen wir der versöhnenden Liebe, die das Tödliche überwindet.
  2. Wir sind als Ebenbilder Gottes geschaffen. Das ist unser Sinn und unsere Bestimmung. Und unser Auftrag ist es, mit unserem Leben von Gott zu erzählen, als Ebenbilder sichtbar zu werden.
  3. Deswegen sind wir als Menschen berufen, in Freiheit mit Gott und vor Gott zu leben. Dazu gehört auch, in dieser Freiheit Gemeinschaft zu leben. 
  4. Gott beschützt seine Geschöpfe. Die Freiheit allen menschlichen Lebens ist für ihn unantastbar. Das gilt so auch für uns: Die Grenze dieser Freiheit ist die Freiheit des anderen. 

Nun ist ja kein Mensch nur friedlich. Wir haben viele Pläne, An-Triebe in uns, es zeigen sich Abgründe von Hass, Brutstätten von Mord. Es gehört leider auch zur Freiheit, dass der Mensch sich von Gott entfernt. Das Zerstören des anvertrauten Lebens kann am eigenen Leib beginnen, mit Raubbau an den Kräften, Missachtung von Gesundheit. Öfters wird die Zerstörung fortgeführt, in Diskussionen, welches Leben noch lebenswert sein könne. Gesteigert dann manchmal mit der Behauptung, dass das eigene Lebensrecht auf Kosten des Anderen Vorrang hat, dass ich mir nehmen kann, was ich will. Solche Einstellungen können anderen die Hölle bereiten und schließlich zu Krieg führen, zu religiösen wie auch zu geopolitischen. Für die eigene, wichtigere Freiheit. Und zwar nur für die eigene Freiheit.

Können wir Christ:innen überhaupt etwas zum Ukrainekonflikt sagen? Bis heute sind etwa 14.000 Menschen durch diesen Krieg im Osten der Ukraine gestorben, meist Zivilist:innen. Die russische Aggression ist sichtbar. Eine Ausweitung des Krieges an der ukrainischen Grenze ist möglich. Das jetzige Freund-Feindlager ist ein geopolitisches Ergebnis, dass sich in den letzten Jahren angebahnt hat. Wir haben viel zu lange einfach weggeschaut. Die Sprache, die sich auch in unseren Medien wiederfindet, ist eine, die schnell in Freund-Feindlager spaltet. Sind Helme und Lazarette lächerlich? Sind zum Schutz der Freiheit der Menschen in der Ukraine und den anliegenden europäischen Staaten allein Waffenlieferungen die Lösung? Modell „klare Kante zeigen“?

Es ist höchstens der zweitbeste Weg. Der beste Weg aus christlicher Sicht ist, mit dem SELBEN finanziellem und personellen Aufwand, der für Waffenlieferungen aufgebracht wird, für eine Entspannungspolitik einzutreten. Diplomatie und Verhandlungen sind keine Schwäche, sondern schwierigster Dienst. Der bewaffnete Konflikt ist nicht die sinnvollste Option, trotz der Lebensraumideologien Russlands, trotz seines Aufgebots an Machtzeichen. Von der liebenden Freiheit her gedacht sind wir gefordert, nichts zu unterlassen, was andere schützt, was das Leben aller als unantastbares Gut sieht. Jeder Konflikt steht im klaren Kontrast zu Gottes Geboten. Christliche Kirchen – und auch die anderen Religionen, die mit uns den Friedensweg teilen – sollten gerade jetzt verstärkt die Partnerschaften Richtung Osteuropa suchen und pflegen, um der Freiheit und des Lebens aller willen.

Lasst uns das Böse mit Gutem überwinden. Niemand hat gesagt, dass der beste Weg der einfachste ist. Doch er ist schon so oft gelungen und er gelingt auch zukünftig: Mit Gottes Hilfe, da bin ich mir sicher. Stärkt die Friedenskräfte!

Susanne Gillmann
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Pfarrerin Susanne Gillmann 

Evang. reformierte Kirchengemeinde Erlangen

Hugenottenkirche