Dienst am lebendigen Leib des Herrn

Fronleichnam

Am zweiten Donnerstag nach Pfingsten feiern die katholischen Gemeinden das Fronleichnamsfest. In normalen Zeiten finden Prozessionen statt, bei denen die konsekrierte Hostie als sichtbares Zeichen für Jesus Christus mitgetragen wird. Heuer müssen die meisten Prozessionen entfallen. An vielen Orten feiern die Gemeinden den Festgottesdienst aber unter freiem Himmel.
Das Wort „Fronleichnam“ hat dabei nichts zu tun mit einem „frohen Leichnam“. Das alte Wort meint den „Dienst am lebendigen Leib des Herrn.“ Weil das eine sehr komplizierte Bezeichnung ist, blieb man beim alten Wort für das Fest, feiert aber genau das: Den Dienst am lebendigen Leib des Herrn. Zu diesem lebendigen Leib gehören alle, die an Jesus Christus glauben und versuchen, seine Botschaft der Nächstenliebe im Alltag zu leben. Darum tragen wir das Zeichen für Jesus Christus auf die Wege unseres Alltags, dahin, wo die Gläubigen, den lebendige Leib des Herrn bilden. Dieser lebendige Leib des Herrn kann auch verletzt werden, kann schmerzen und bluten. Das erleben wir in der Kirche, wenn die, die zur Sorge für die Seele da sein sollen, den Menschen Sorgen machen. Gerade darum ist das Fronleichnamsfest wichtig. Wenn wir Jesus Christus in der Gestalt des eucharistischen Brotes in unserer Mitte tragen, zeigen wir: Nicht Papst, nicht Kardinäle und Bischöfe sind die Herren der Kirche. Der eigentliche Hirte ist Jesus Christus. Das müssen sich die Vorsteher, die Seelsorgerinnen und Seelsorger bewusst machen. Dessen dürfen wir uns alle bewusst sein. Denn dann gibt es die Hoffnung, dass Jesus Christus die Seelen heilt, auch da, wo Menschen nichts vermögen. Dann gibt es die Hoffnung, dass Jesus Christus auf unseren krummen Zeilen gerade schreiben kann.
Christus tut einen Dienst an jedem, der ihm glaubt, dass er Frieden in die Seele legen kann. Ich denke heuer besonders an alle, die genug haben von den Beschränkungen und in denen die Wut aufsteigt. Am Fronleichnamstag bitten wir, dass Gott ihnen Ruhe ins Herz gibt und dass sie berechtigte Kritik friedlich anbringen. Ich denke an alle, denen das letzte Jahr viel abverlangt hat. Jesus Christus tragen wir hinaus aus der Kirche, hinein in die Welt unseres Alltags, wo die Menschen sind, die lebendige Glieder seines Leibes sein wollen. Da will er wirken und Türen öffnen. Darauf warten wir schon lange.
Am Fronleichnamstag tragen wir Jesus Christus sichtbar hinaus, damit Menschen erkennen: Er ist da, auch in der Welt von heute, auf den Wegen des Alltags, auf dem Weg zum Arzt oder zum Einkaufen. Er ist da, wenn wir uns (hoffentlich bald) wieder in größeren Gruppen treffen und Feste feiern dürfen. Am Fronleichnamstag bitten wir Gott, dass er uns das Leben zurückschenkt, das wir vermissen.
Wir tragen Jesus Christus unter die Menschen, weil es Menschen sind, die seine Botschaft in unserem Alltag sichtbar machen. Den Dienst am lebendigen Leib des Herrn haben in den letzten Monaten so viele hauptamtliche und ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Pfarrgemeinden getan. Sie waren bei den Kranken und Sterbenden, bei den Trauernden und Gebeugten. Heuer dürfen wir noch nicht in Prozession durch unsere Straßen ziehen und die Monstranz vorantragen, aber die schönste Monstranz in den letzten zwölf Monaten waren alle, die sich für andere eingesetzt haben. Sie sind Glieder am lebendigen Leib des Herrn. Sie haben Jesus Christus und seine Botschaft vom Leben unter die Menschen getragen. Fronleichnam ist heuer besonders ihr Fest. Das Fest aller, die für andere gebetet haben. Das Fest aller, die für andere gesorgt haben, die Menschen getröstet und unterstützt, aufgerichtet und Kontakt gehalten haben, die versuchten, möglich zu machen, was ging. Für Kinder und Senioren, für Familien und Alleinstehende. Das Fronleichnamsfest ist ihr Tag, denn sie sind nicht nur heute, sondern unzählbar viele Stunden, die Monstranz Jesus Christi, lebendige Glieder an seinem Leib.

Marcel Jungbauer

Autorin/Autor:
Pfarrer Marcel Jungbauer
Ltd. Pfarrer Erlangen Nord-West
05.06.2021 (Woche 22/21)