Muttertag am 8. Mai - einige Gedanken
Eigentlich ist der Muttertag ja kein religiöser Feiertag. Trotzdem ist Mutterschaft in allen Religionen ein Thema: Leben schenken, Kinder zur Welt bringen, Wachstum und Entfaltung fördern, Sinn vermitteln, in die Freiheit entlassen. Freilich zählen dann Fruchtbarkeit und Aufopferungsbereitschaft oft mehr als Erotik; gebären soll die Frau, aber nicht begehren – oder gar Begehren wecken. Irgendwie geht es darum, auch in der Religion, mit der Kraft des Eros zurecht zu kommen, mit unterschiedlichen Strategien: zwischen Askese und Exstase, Enthemmung und Verklemmung ist in den großen Religionen der Weg der Elternschaft nicht die dümmste Möglichkeit.
Ich sehe dich in tausend Bildern, Maria…“ so dichtet Novalis. „Jungfrau“, „Gottesmutter“, „Himmelskönigin“ … In der katholischen Tradition ist der Monat Mai oft mit Maria verbunden. Heuer allerdings sehe ich nicht so sehr die Madonna mit dem kleinen Kind vor mir, sondern immer wieder die Pieta, die dem Betrachter das geschundene, getötete Kind vor Augen hält. Das verbinde ich mit dem 8. Mai vor 77 Jahren, Kriegsende, Tag der Befreiung: millionenfach beklagen Mütter (nicht nur) die toten Söhne und Töchter, Männer und anderen Frauen, Väter und Mütter. Ich sehe heute die Flüchtlinge aus der Ukraine, oft in der Familienkonstellation Mutter- Kinder – Großmutter, in der Angst um Männer, Söhne und Väter. Ich sehe Mütter in Ostäthiopien mit den hungerkranken Kindern im Arm.
Ich lese von den Wurzeln der Ursprungsidee für den Muttertag aus der Frauenbewegung im 19. Jahrhundert: für mehr Frauenrechte und für bessere Bildungschancen und für Frieden: peace and motherhood hatte das Ziel, dass die Söhne nicht mehr in Kriegen geopfert werden. Aber wie alle guten Ideen: man kann sie kommerzialisieren und/oder ins Gegenteil verbiegen, wie im Nationalsozialismus.
Bei der Frage von Vereinbarkeit von Beruf und Familie hinterlässt der Muttertag oft Bitterkeit, nicht nur bei Alleinerziehenden. Nach wie vor ist das eine riesige Herausforderung, gerade für Frauen. Der Rücktritt von Familienministerin Anne Spiegel zeigt es überdeutlich, egal ob man die Fehler eher dem System einer unbarmherzigen, Leistungsgesellschaft oder ihr selbst anlastet, weil sie Überforderung nicht zugeben wollte. Ein großer Teil der erwerbstätigen Mütter steckt beruflich zurück.
Die Statistiker beschreiben die Situation in der Coronaepedemie, erlebt habe ich sie an den Türen unseres Kindergartens: Frauen und Mütter waren auch wegen ihrer Berufe überdurchschnittlich stark belastet. In medizinischen und nichtmedizinischen Gesundheits- und Pflegeberufen sind die meisten Erwerbstätigen weiblich, ebenso in sozialen Berufen wie im Erziehungsbereich, in denen das Ansteckungsrisiko vergleichsweise hoch ist, und in Verkaufsberufen.
Mütter, Väter und Pflegende haben in dieser Zeit das Familienleben und den Alltag am Laufen gehalten und oft über die eigene Belastungsgrenze hinaus durchgehalten.
Muttertag mit gemischten Gefühle: so geht es auch mir.
Inzwischen bin ich selbst Opa und habe eine hochbetagte Mutter. Rollen haben sich geändert. Das bringt mich zu meinem letzten Gedanken. Dag Hammerskjöld, früherer UN-Generalsekretär, schreibt von „Verantwortung für Gott“. Das bedeutet, Abschied zu nehmen von einem, auch weiblichen Gottesbild, die uns wie eine Glucke beschützt, von dem Versorgungsgott, der zuständig ist als Vater und Mutter für unsere unerfüllten Bedürfnisse als „verwöhnte Kinder“ und „den man zur Not mit Warum-Fragen bombardiert“ (Gotthard Fuchs). Erwachsen glauben bedeutet wie Maria „Ja“ sagen, Gottes Wort zur Welt bringen, in der Lebensart Jesu, die Verantwortung übernimmt in der Nächsten bis zur Feindesliebe, in Konfrontation und Hingabe. So werden wir, ganz menschlich, Weitergebende und HüterInnen des Lebens und Gottesgebärende.
Martin Förster, Pastoralreferent in Erlangen mit dem Schwerpunkt Herz Jesu.
Pastoralreferent Martin Förster
Kath. Kirchengemeinde Herz Jesu