Wenn morgen die Welt unterginge…

Wer hätte bis vor einigen Wochen oder Monaten mit der Vielfalt und Intensität an Problemen und Ängsten gerechnet, mit denen wir uns momentan konfrontiert sehen? Die Angst vor Corona und damit einhergehende Auseinandersetzungen bis in Familien hinein; die Sprachlosigkeit angesichts der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal; das Entsetzen über einen Angriffskrieg in Europa und seine Folgen; die dumpfe Gewissheit, dass wir nicht mit ein paar einfachen Korrekturen den Klimaänderungen begegnen können. Ach, und nicht zu vergessen, unsere persönlichen Probleme und Ängste, die doch eigentlich schon genug wären: der Druck auf der Arbeit, die schon so lange andauernde Krankheit, der Zwang, „alles“ unter einen Hut bringen zu müssen, und was noch so auf Ihrer und meiner Liste stehen mag. 
Kluges Handeln ist gefragt – aber zugleich ist jedem klar, dass dabei Angst kein guter Ratgeber ist. Aber was hilft gegen die Angst, dass morgen die ganze Welt, oder vielleicht „meine kleine Welt“ untergeht?
Martin Luther wird folgende Antwort zugeschrieben: „Wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.“ Nun ist das Pflanzen eines Baums keine Sofortmaßnahme, die im besten Sinne des Wortes bereits morgen Früchte trägt. Das Pflanzen eines Baums ist auf längere Sicht angelegt und bringt damit eine Haltung zum Ausdruck, mit der wir uns den Problemen stellen und sie angehen können: eine Haltung der Hoffnung, und nicht der Angst. 
Diese Hoffnung hat aus christlicher Perspektive zwei Facetten: Da ist zum einen die Hoffnung auf die Ewigkeit, auf den Himmel, das Paradies. Im Buch der Offenbarung beschreibt die Bibel den Himmel als einen Ort, wo es kein Leid und keinen Schmerz mehr geben wird. Und noch mehr: Gott selbst wird die Tränen bedrückter Menschen trocknen - auch bei denen, deren Weinen kein Mensch gehört hat. Übeltäter werden zur Rechenschaft gezogen, und Gott macht alles neu, bringt alles in Ordnung. Nein, das ist für mich keine billige Jenseitsvertröstung, sondern ein Anker mitten in den Herausforderungen und Ängsten meines Lebens. Und der Blick auf die Ewigkeit rückt meinen gedanklichen Horizont gerade, was tatsächlich Bestand hat und was folglich jetzt im Leben wichtig ist. Und damit zur zweiten Facette christlicher Hoffnung: Gott hat diese Welt nicht aufgegeben – warum sollten wir? Er hat die Welt nicht sich selbst überlassen, sondern ist in der Person Jesus Christus selbst in diese Welt gekommen und hatte dabei ganzheitlich das Heil der Menschen im Blick sowohl in der irdischen wie der jenseitigen Perspektive. Jesus sagt von sich, dass er das Licht der Welt sei, damals wie heute, und wer ihm nachfolgt, nicht im Dunkeln umherirren muss, sondern Lebenslicht hat. Und über die ganze Weltgeschichte hinweg ist er auf der Suche nach Menschen, die mitten in einer kranken Welt ihre Hoffnung auf ihn setzen und zuversichtlich beten und handeln – denn es ist eben nicht ausgemachte Sache, dass morgen die Welt untergeht…
Dietrich Bonhoeffer sagte dazu: „Ich glaube, dass Gott kein zeitloses Schicksal ist, sondern dass er auf aufrichtige Gebete und verantwortliche Taten wartet und antwortet.“ Ich wünsche Ihnen und mir die Zeit für solche Gebete, die Ausdauer für solche Taten – und große und kleine Antworten Gottes mitten in unserem Alltag.
Ihr Martin Schellenberger, Leiter Arche-Gemeinschaft Erlangen und Vorsitzender der Evangelischen Allianz Erlangen
 

Dr. Martin Schellenberger

Dr. Martin Schellenberger

Evangelische Allianz Erlangen