Beten macht Sinn

„Das war knapp, Gott sei Dank!“ Erschrocken schicke ich ein Stoßgebet gen Himmel.  In letzter Sekunde hatte ich nachts eine Dunkelradlerin doch noch gesehen. Mit einem beherzten Tritt auf die Bremse schaffte ich den rettenden Meter Abstand. Dunkle Kleidung, dunkles Rad, ohne Beleuchtung nachts forsch unterwegs -  es gibt bessere Ideen. Etwas grimmig schicke ich ein „Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!“ hinterher.
Ob das mit dem Hirn etwas wird? Ich weiß es nicht. Aber mir tat dieses Stoßgebet gut. Dampf ablassen, dafür ist Gott eine gute Adresse. Und auch für den Dank, vor einem Unfall bewahrt worden zu sein. Erst recht für die Bitte, auch in Zukunft keinen Unfall zu verursachen oder zu erleiden. Und, oh ja, auch für die Einsicht: Genau so hat auch schon einmal jemand wegen mir gebetet und geflucht. Da war doch dieser Moment mit „Hirn, ja. Benutzen? Nein!“ Ich war flott abgebogen mit meinem Radl, ohne den Arm raus zu tun. Und schräg hinter mir musste prompt jemand in die Eisen steigen.
Es gibt so viele Arten von Gebeten. Lob und Dank, wenn etwas gut gegangen ist: Ein Unfall vermieden, eine Krankheit überwunden, eine bezahlbare Wohnung gefunden, ein Kind gesund geboren. Klagen, wenn etwas zu beklagen ist: Eine Beziehung gescheitert, Hunger und Kriege auf der Welt, ein lieber Mensch erkrankt oder gestorben. Bitten um Vergebung, wenn ich einen Bock geschossen habe und meinen Fehler wieder gut machen will. Und dringende Bitten um etwas ganz Bestimmtes.
Allen ist gemeinsam, dass ihre wortwörtliche Erhörung ungewiss bleibt. Gott ist kein Erfüllungsautomat, und ein Gebet keine Münze, die ich einwerfe, damit die Wunscherfüllung ins Ausgabefach purzelt.
Allen Gebeten gemeinsam ist noch ein Zweites: Wer betet, verbindet sich und sein Erleben mit Gott und dem, was er im Sinn hat. Christinnen und Christen glauben, hoffen, vertrauen darauf, dass Gott es letztlich gut mit uns Menschen und seiner Schöpfung meint. „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und meine Wege sind nicht eure Wege“, heißt es dazu im Buch Jesaja, Kapitel 55. Und weiter: „Wie der Himmel die Erde überragt, so sind auch meine Wege viel höher als eure Wege…“ Für betende Menschen bedeutet das Hoffnung: In dem, was ich erlebe, bin ich verbunden mit Gott. Und wenn ich etwas nicht verstehe, wenn es nicht nach meinem Willen läuft, dann könnte es einen Sinn haben, den ich jetzt noch nicht erkenne.
Weil das wertvoll ist, widmet der Kirchenkalender diesen Sonntag dem Gebet. Und als letztes hier zum Schluss: Probieren Sie doch einmal ein Fürbittgebet. Auf diese Art können Sie Menschen Gott ans Herz legen, gerade wenn sie deren Anliegen nicht selbst erfüllen können. 
Pfarrer Frank Nie
Evangelische Klinikseelsorge am Uniklinikum Erlangen 
 

Pfr. Frank Nie

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Pfr. Frank Nie
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91054 Erlangen