50 Jahre Momo – Wenn Erwachsene bei Kindern in die Schule gehen….

Vor 50 Jahren ist der Kinderbuchklassiker „Momo“ erschienen. Michael Ende hat mit der kleinen Momo etwas geschaffen, das bei Kindern und Erwachsenen ans Innerste rührt. Denn Momo schenkt den Menschen Zeit, indem sie ihnen zuhört. Ganz allein, mit nichts als einer Blume in der Hand und mithilfe ihrer Schildkröte Kassiopeia, kämpft sie gegen die kalte und lieblose Welt der grauen Herren für eine warmherzige Welt – und siegt! Diese Erzählung ist daher mehr als nur eine alte Kindergeschichte. Denn Momo kann nicht nur zuhören. Sie schafft es, dass Menschen sich durchs Zuhören im Herzen bewegen und ihre Gewohnheiten verändern.
Momo stellt also die Welt auf den Kopf. Oder besser gesagt, vom Kopf auf die Füße. Denn sie rettet die Erwachsenen aus ihrer Ich-Bezogenheit. Es ist dieses Spiel mit Groß und Klein, mit Stark und Schwach, mit Recht und Unrecht, das sich in dieser Geschichte umdreht. Die rastlose Welt, die zerstörerischen und ungerechten Regeln der Erwachsenen werden zu einer herzlichen, gerechten, lebenswerten Welt für alle - durch die Kraft eines Kindes.

Indes, das Verhältnis von Groß und Klein, wird auch in der Bibel an vielen Stellen thematisiert. Ganz klassisch in den Worten Jesu an die Jünger, wenn er sagt: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet, wie die Kinder, dann werdet Ihr nicht in das Reich Gottes gelangen“. Die christliche Religion bringt in das Verhältnis von Stark und Schwach, von Groß und Klein, von Erwachsenen und Kindern eine interessante Perspektive ein. Sie sagt nämlich, dass sich durch diesen Unterschied keine Rangordnung ergibt, sondern eine Begegnung auf Augenhöhe. Das Kleine und das Große haben den gleichen Wert. Mehr noch: Man muss das Große vom Kleinen her verstehen - wahre Größe zeigt sich im Respekt gegenüber den Kleinsten.

Vielleicht können wir Erwachsenen uns ja ein Beispiel an Momo und an der Bibel nehmen: Die kleine Momo ist offen und geradlinig. Sie lässt sich nicht beirren. Sie lässt sich auch nicht in eine bestimmte Richtung drängen. Denn dies ist stets die Gefahr, der die Erwachsenen erliegen: dass sie Kinder und Jugendliche nicht ernst nehmen, dass sie sie bevormunden, gar versuchen, sie sich anzugleichen, dass sie wenig Verständnis zeigen, wenn junge Menschen sich für ihre Zukunft einsetzen und dabei alte Gewohnheiten stören. Die Bibel entlarvt dieses weltliche Denken und fordert uns Erwachsene zum Umdenken auf. Sie lädt dazu ein, dass wir Älteren den Jungen auf Augenhöhe begegnen, dass wir ihnen zuhören und ihre Sorgen um die Zukunft teilen. Die Kinder und Jugendlichen von heute spornen uns Erwachsene an und rufen uns zu: „Kehrt zurück zur Vernunft und zur Menschlichkeit!“ Wie wäre es daher, wenn der anstehende Schulbeginn uns Erwachsenen dazu dient, bei unseren Kindern in die Schule zu gehen und von ihnen zu lernen, wie eine lebenswerte Zukunft für alle aussieht.

Dr. Monika Tremel, Pastoralreferentin, Geschäftsf. Leiterin Offene Tür Erlangen
 

Dr. Monika Tremel

Dr. Monika Tremel, Pastoralreferentin,

Geschäftsf. Leiterin Offene Tür Erlangen