Lebensmosaik - Stolpertage

Es gibt solche und solche Tage. Manchmal hetze ich von Termin zu Termin, während sich zuhause die Kinder und die Wäsche stapeln. Hetztage.
Manchmal läuft alles super und ich flaniere durch meine To-do-Liste. Ich lächle mich glücklich und hab ein Auge für die schönen Details. Flaniertage.
Und dann passiert etwas und meine gewohnte Struktur kriegt einen Knacks. Vielleicht bricht sie sogar gleich ganz zusammen. Der Boden wird holprig für mich und ich komme ins Stolpern. Stolpertage.
Ich kann mich gerade noch so auffangen, bin kurz hyperaufmerksam, froh, dass ich mich vor dem Sturz gerade noch retten konnte. Nochmal gut gegangen? Oder ist das Stolpern schon zu viel. Stolpern schüttelt mich durch. Es ist dieser Ruck, der kurz durch alles geht. „Stolpertage“ ist ein Jugendroman, der von Jette erzählt. Sie ist dreizehn Jahre alt und zwischen vielen Fronten. Im Jugendlich-Werden, zwischen Umzugskartons, weil sich die Eltern getrennt haben, im Abschiednehmen vom sterbenden Opa. Sie stolpert durch ihre Welt und zwischendrin liegt sie einfach in ihrem komplett abgedunkelten Zimmer. Da werden Lebensbilder in Schnipsel gerissen und sie fallen in einem bunten Wirbel durch die Luft.
Dass ich in meinem Leben ins Stolpern komme, kann ich nicht verhindern. Stolperfallen gibt es genügend und ich kann sie nicht beeinflussen. Also was tun? Mich an anderen festkrallen? Mich fallen lassen? Mal den Boden kennenlernen? Oder in die Beobachterrolle schlüpfen? Denn wenn die Schnipsel mal gefallen sind, mit der Zeit, müssen wir sie neu zusammenfügen. Das Bild von früher wird nie wieder so wie früher, aber stattdessen kann ein neues Meisterwerk entstehen. Ein Mosaik aus Schnipseln, von mir zusammengesetzt auf dem Boden sitzend, kauernd, liegend. Konzentriert, weinend oder schniefend oder ganz still. Das dauert und manche Schnipsel scheinen im ersten Moment nicht zusammenzupassen.
Aber am Ende gebe ich dem Mosaik einen schönen Rahmen und einen besonderen Platz in meinem Leben. Ich werde mich immer daran erinnern, wie ich damals gestolpert bin. Wie die Schnipsel um mich herum verteilt lagen und wie ich erst einmal nicht wusste, wie es überhaupt weitergehen soll. Und doch geht es weiter nach dem Stolpern. Bis die Schnipsel neu sortiert sind und es wieder Zeit ist zu stolpern. Unser Leben ist Stückwerk. Das ist eine grundlegende Erkenntnis. Ich kann nicht alles wissen und ich bin nicht Bestimmer über mein Leben.
Und am Ende? Ja, am Ende schaue ich zurück auf ein buntes Mosaik aus Zerbrochenem und Wiedergeflicktem.
Und in meinem Herzen flüstert eine Stimme: Selbst junge Menschen werden müde und kraftlos, starke Menschen stolpern und brechen zusammen. Aber alle, die ihre Hoffnung auf Gott setzen, bekommen neue Kraft (nach Jesaja 40, 30-31). Konnte ich deshalb mein Lebensmosaik neu zusammensetzen? Wer weiß.

Ihre Ann-Sophie Hoepfner
Pfarrerin an der Evangelischen Studierendengemeinde in Erlangen

Ann-Sophie Hoepfner
Bildrechte privat

Pfarrerin Ann-Sophie Hoepfner
Evangelische Studierendengemeinde Erlangen