Selig, die keine juristischen Tricks anwenden, um die Schwächeren auszubeuten.

„Selig, die keine Gewalt anwenden. Denn sie werden das Land erben.“

(Mt 5,5) Das ist die 3. Seligpreisung, die Jesus in der Bergpredigt am Anfang verkündet!
Wir tendieren oft dazu, biblische Texte zu spirituell zu verstehen. Aber oft haben sie eine hochpolitische, gesellschaftskritische Seite. Bei dieser Seligpreisung geht es um Landbesitz. Bauern mussten wegen Missernten Kredite aufnehmen. Wenn sie mit den Rückzahlungen im Rückstand waren, verloren sie ihr Land an den Kreditgeber. Kredite und Schulden zurückzahlen ist bei mehreren Gleichnissen Jesu ein Thema.
Auch heute ist Eigentum an Land eine Möglichkeit, um reich zu werden. Wer Grund in München besitzt, kann viel Geld verdienen, wenn auf diesem Grund Mietswohnungen stehen. Auch Ackerboden ist in Deutschland oft zu teuer. Nach der Wiedervereinigung bot die Treuhand wertvolles Ackerland zum Kauf an. Die Preise für Grund und Boden sind bis heute so weit gestiegen, dass für normale Landwirte das Ackerland unbezahlbar wurde. Sie müssen vermehrt die Äcker pachten, werden dadurch abhängig und leiden unter steigenden Pachtpreisen. (Also ähnlich wie Menschen in Jesu Gleichnissen.) Aufgekauft haben die Ländereien Finanzinvestoren, große Lebensmittelfirmen, kirchliche Organisationen usw. Frankreich hat das Problem anders gelöst: Eine Gesellschaft aus Landwirtschaftsvertretern, Gewerkschaften und Behörden gestaltet den Bodenmarkt. Die Gesellschaft bewertet das Land und legt einen Preis fest. Wenn es mehrere Interessenten gibt, entscheidet die Gesellschaft, welcher Käufer das beste Nutzungskonzept hat. Die Explosion der Landpreise ist unterbunden: In Frankreich kostet ein Hektar im Durchschnitt 6000 €, in Deutschland dagegen 27000€. (Vgl. ARD-Radio-Feature)
Die Rechtsprofessorin Pistor schrieb das Buch „Code des Kapitals“, das ich jedem empfehle, der verstehen will, warum in unseren Gesellschaften die Reichen immer reicher werden. Der Grundgedanke: Damit ich aus etwas Kapital schlagen kann, damit ich also mit etwas Geld verdienen kann, muss etwas einen juristischen Status bekommen. Z. B. wenn jemand eine Idee für ein Produkt hat, geht er zum Patentamt, um sich die Rechte für dieses Patent zu schützen. An sich finden wir das gerecht und gut. Ein Komponist, der eine Oper schreibt, soll Geld bekommen, wenn seine Oper aufgeführt wird. Aber ist es gerecht, wenn ein Forscher eine seltene Pflanze findet, ihr Erbgut patentieren lässt, daran reich wird, und die indigenen Völker, in deren Wald die Pflanze wächst, gehen leer aus? Mit dem Recht wird ein Gut codiert, geschützt und zu Kapital umgewandelt, so dass es mehr Geld einbringt. Diese Rechtsinstrumente kann man auch zur Bereicherung der Reichen einsetzen und die Reichen leisten sich auch die Anwälte, die das können.
Selig, die keine Gewalt anwenden. Denn sie werden das Land erben. Das kann also auch bedeuten: Selig, die keine juristischen Tricks anwenden, um die Schwächeren auszubeuten. Denn sie werden das Land erben.
Diese Seligpreisung enthält eine scharfe Kritik am reinen Kapitalismus! Und er fordert uns, die Gesellschaft, die Politik auf, die Marktwirtschaft gerechter und sozialer zu gestalten!
Dekan Michael Pflaum
 

Dekan Michael Pflaum

Dekan Dr. Michael Pflaum

Kath. Pfarramt St. Magdalena
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91074 Herzogenaurach